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Therapeutisches Chaos

Organisierte Komplexität

Phänomene organisierter Komplexität sind in der belebten und unbelebten Natur allgegenwärtig. Angefangen bei Gesteinsformationen, Kristallgittern, komplexen anorganischen Verbindungen über einfache organische Strukturen, den Blattformen von Pflanzen bis hin zu höheren Lebewesen, zeigen sich raumzeitliche Strukturen die sich auf der einen Seite durch eine nahezu unbegrenzte Komplexität auszeichnen, auf der anderen Seite aber als hoch geordnete „sinnvolle“ Muster imponieren.

Psychotherapien als komplexe Prozesse

In den letzten Jahren verdichten sich die Belege dafür, dass auch das psychotherapeutische Geschehen als hochgradig komplex organisierter Prozess aufgefasst werden kann. Da triviale Deutungsmuster psychotherapeutischer Prozesse (z.B. die Dosis-Wirkungs-Analogie oder die Suche nach spezifischen Wirkfaktoren) nur eingeschränkte Beschreibungen des therapeutische Geschehens ermöglichten, wurde zunehmend auf nichtlineale und nichtlineare Modelle der Selbstorganisationsforschung Bezug genommen.

Damit wird von verschiedenen Seiten aber auch die Steuerbarkeit von und gezielte Intervenierbarkeit in KlientInnensystemen in Frage gestellt. Psychotherapie wird hier zunehmend als Rahmen verstanden, in dem Selbstorganisationsprozesse ermöglicht und angeregt werden. Wichtiger Bestandteil dieses Rahmens ist die Qualität der zwischenmenschlichen Begegnung in der Therapie.

Insgesamt finden sich vermehrt Beispiele für die Konzeption von Psychotherapie, die nicht nur mit den Theorien Nichtlinearer Dynamischer Systeme (Komplexitätstheorien) kompatibel erscheinen, sondern zum Teil direkt unter Rückgriff auf diese begründet werden. Obwohl aber die Nutzung z.B. der Chaosforschung in der Psychotherapie schon bald den Ruf einer Modeströmung erlangte, fehlen vielfach noch immer empirische Belege für die „Selbstorganisationshypothese der Psychotherapie“.

Es war daher das erklärte Ziel der Arbeitsgruppe um Günter Schiepek seit den 1990er Jahren Selbstorganisationsprozesse in Psychotherapien nachzuweisen, zu visualisieren und wenn möglich Prozesse therapeutischer Veränderungen in ihrer Entstehung zu beschreiben.

Von Anfang an war Guido Strunk von Complexity-Research an diesem Projekt beteiligt, hat die Auswertungs- und Visualisierungssoftware entwickelt und zahlreiche Forschungsprojekte zu dieser Fragestellung geleitet, durchgeführt und publiziert.

Eine umfassende Darstellung zur komplexen Verfasstheit psychotherapeutischer Prozesse liefert das Buch "Therapeutisches Chaos", das er zusammen mit Günter Schiepek veröffentlicht hat.

Die Ergebnisse aus der Studie zur Sequentiellen Plananalyse (SPA) zweier Psychotherapien, die Guido Strunk seit 1992 nach Mustern organisierter Komplexität untersucht hat sind auch erschienen in dem von Haken und Schiepek herausgegebenen Lehrbuch zur Synergetik in der Psychologie:

Strunk G., Haken H. & Schiepek G. (2006) Ordnung und Ordnungswandel in der therapeutischen Kommunikation. In: Haken H. & Schiepek G. (Hrsg.) Synergetik in der Psychologie. Selbstorganisation verstehen und gestalten: 462-516. Göttingen: Hogrefe

Abbildung: Veränderung der Potenziallandschaft bei einem Phasenübergang

Die Abbildung stellt in drei Schritten dar, wie sich die so genannte Potenziallandschaft bei einem Phasenübergang verändert. Die Metapher der Potenziallandschaft kennzeichnet attraktive Systemzustände als tiefe Täler und unattraktive als hohe Berge oder steile Wände. Im Attraktor (a) sind die steilen Wände und das Tal klar ausgeprägt, die Kugel, die das Systemverhalten repräsentiert, rollt nach einer Auslenkung schnell zurück in den Attraktor. Das Einzugsgebiet des Attraktors wird in der Nähe zum Bifurkationspunkt zunächst flacher (b) und geht im Bifurkationspunkt in einen Potenzialhügel (so genannter Repellor) über (c).
(Mehr dazu: Strunk, G. & Schiepek G. (2014) Therapeutisches Chaos)

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