Multidimensionale Skalierung (MDS)
Methode
Die
multidimensionale Skalierung (MDS) ist ein Verfahren zur Darstellung
von Ähnlichkeiten (bzw. Distanzen) in Datensätzen. Sie wird mitunter
mit einer Faktorenanalyse verglich hat mit dieser aber tatsächlich
nicht viel gemein.
Eine MDS
verarbeitet Daten über die Ähnlichkeit von beliebigen Objekten. Diese
Daten werden nicht durch die MDS erhoben sondern müssen vorher bereits
vorliegen. In der Regel werden die Ähnlichkeitsdaten in Form einer
Matrix angeordnet und dann von der MDS weiter verarbeitet. Ein
typisches Beispiel ist eine Entfernungstabelle zwischen Städten. Die
Tabelle enthält Entfernungen zwischen allen interessierenden Städten in
Form einer Matrix, die zeilenweise und spaltenweise die Städte
aufführt. In den Zellen der Matrix finden sich die Entfernungen
zwischen allen Städten.
Eine MDS stellt diese Distanzen grafisch dar. Die MDS löst also die
geometrische Aufgabe eine Grafik zu erzeugen, die die Distanzen
maßstabsgerecht wiederspiegelt. Dabei wird die Zahl der zur Darstellung
genutzten Dimensionen von der Benutzerin bzw. vom Benutzer vorgegeben.
Wird etwa nur eine Dimension gewählt, so erzeugt sie einen
Zahlenstrahl, auf dem die Distanzen bzw. Ähnlichkeiten zwischen den
Objekten wiedergegeben werden. Im Falle der Entfernungstabelle ist die
Darstellung aber nur dann vollständig korrekt, wenn alle Städte, die
als Dateninput genutzt werden auch auf einer Linie liegen. Ist das
nicht der Fall, so ist die 1-dimensionale Darstellung nur mit
Vereinfachungen möglich und es entsteht ein Darstellungsfehler, der als
Stress bezeichnet wird und von der MDS ausgewiesen wird. Eine
Darstellung ist dann besonders gut, wenn der Stress besonders klein
ist. Im Falle der Entfernungstabelle zwischen Städten wird eine
2-dimensionale Darstellung besser gelingen als eine 1-dimensionale und
eine 3-dimensionale könnte sogar Höhenunterschiede berücksichtigen.
Eine weitere Erhöhung der Dimensionen ist mathematische leicht möglich
bringt aber in diesem Beispiel keine weitere Verbesserung der
Darstellung. Der Stress ist hoch bei der 1-dimensionalen Darstellung
und verringert sich, bis er ab drei Dimensionen nicht mehr geringer
wird.
Die MDS kann als Input beliebige Distanzen oder Ähnlichkeiten nutzen.
Diese können auch auf subjektiven Einschätzungen von Personen beruhen
(z.B. Ähnlichkeiten zwischen Automarken). G. A. Kelly (1955) hat im
nach ihm benannten Kelly-Grid eine Datenerhebungsmethode vorgeschlagen,
zu deren Auswertung er ebenfalls die MDS heranzieht (Kelly, G. A.
(1955): A Theory of Personality. The Psychology of Personal Constructs.
New York.).
Die Idee dahinter ist es zu beliebigen Themen die so genannten
persönlichen Konstrukte einer Person zu ermitteln. Da die MDS in der
Lage ist beliebige Ähnlichkeitsdaten zu verarbeiten, genügt es
beliebige Objekte, auch Ideen oder Meinungen nach Ähnlichkeiten zu
sortieren. Die grafische Darstellung dieser Objekte durch eine MDS
veranschaulicht dann, welche Objekte als ähnlich und welche als
unähnlich aufgefasst wurden, welche Objekte quasi als „Gegenteile“ und
welche als „Synonyme“ angesehen wurden.
Kelly geht davon aus, dass alle Vorstellungen, die Menschen von sich,
anderen und der Welt haben nur im Zusammenhang und in Abgrenzung zu
anderen Vorstellungen verstanden werden können. Was ein Mensch z.B.
unter dem Konstrukt „Eifersucht“ versteht ist nicht objektiv
bestimmbar, wohl aber ob er „Eifersucht“ als Gegenteil von „Freier
Liebe“ oder als Synonym für „Neid“ oder „Eitelkeit“ auffasst. Eine MDS
kann helfen solche Zusammenhänge zwischen Konstrukten darzustellen. Sie
ist damit ein Verfahren welches auf quantitativen Daten über
Ähnlichkeiten und Distanzen beruht und zu grafischen Darstellungen
führt, deren Koordinaten quantitativ weiterverarbeitet werden können.
Dennoch ist es ein Verfahren, welches häufig im Rahmen der qualitativen
Forschung eingesetzt wird, um Einblick in die subjektiven Lebenswelten
von Personen zu erlangen.
Die MDS ist in der Regel Bestandteil gängiger Softwareprodukte zur
statistischen Datenanalyse. Auch Complexity-Research hat eine MDS
in der Software GChaos implementiert. Die Besonderheiten liegen dabei
in den Tools zur Weiterverarbeitung der Ergebnisse und in Tools zur
Datenerhebung großer Stichproben von Objekten.
Tools zur Datenerhebung
Im
Auftrag der Telekom Austria wurde an der Interdisziplinären Abteilung
für Verhaltenswissenschaftlich orientiertes Management der WU Wien ein
Forschungsprojekt durchgeführt, für das Complexity-Research 2002
die Software entwickelte. Die Software zeigt eine Reihe von
Karteikarten, die am Bildschirm mit der Maus sortiert, gestapelt und
angeordnet werden können. Die Karteikarten enthalten
Objektbeschreibungen und der User bzw. die Userin sortiert die Objekte
in Stapel, die benannte werden können und nach Ähnlichkeit zueinander
eingeschätzt werden können. Die Software wurde später erweitert und in
einer Diplomarbeit über verschiedene Formen von Karriereerfolg benutzt
(Kaes, Barbara & Gürtler, Nina (2005) Karrierefelder.
Unveröffentlichte Diplomarbeit, WU Wien.).
Im
Auftrag der Interdisziplinären Abteilung für Verhaltenswissenschaftlich
orientiertes Management der WU Wien und Mitarbeiterinnen von FAS
Research wurde von Complexity-Research 2005 eine Internetsoftware
zur Analyse sozialer Netzwerke erstellt. Diese wurde im Rahmen des
Vienna Career Panel Projects (ViCaPP) eingesetzt.
Eine Weiterentwicklung der Internetsoftware zur Analyse sozialer
Netzwerke wurde adaptiert um Ähnlichkeitsmatrizen aus
Internetbefragungen zu erzeugen. Diese Methode wurde eingesetzt für ein
Forschungsprojekt zur Frage, was man gemeinhin unter dem Begriff
„System“ versteht. Die MDS-Analysen sind publiziert in: Strunk, Guido
(2006): Vom Kern des Systemischen und dem Drumherum. In: Systeme.
Interdisziplinäre Zeitschrift für systemtheoretisch orientierte
Forschung und Praxis in den Humanwissenschaften, 20 (2): 133-156.
Für die Analyse großer Datensätze hat Complexity-Research diese
Verfahren erweitert. Entwickelt wurde eine Software für die Erzeugung
von Ähnlichkeitsmatrizen aus Daten von Erhebungsprozessen, die als
„Subjective Grouping With Variable Number of Groups“ bezeichnet werden.
Selbst eine große Anzahl an Objekten kann von Versuchspersonen sortiert
und in Stapel geordnet werden. Objekte innerhalb eines Stapels gelten
als einander ähnlich. Mittelwerte über viele Versuchspersonen können
als Ähnlichkeitsmatrizen für eine MDS genutzt werden. Das Verfahren ist
in der Software GChaos implementiert und wurde bereits mehrfach
erfolgreich für eine große Anzahl an Objekten eingesetzt. Z.B. wurden
rund 250 Namen von Fragebogenskalen zur Patientensicherheit von 30
Personen sortiert und mit einer MDS analysiert (Strunk, Guido, Vetter,
Elisabeth, Latzke, Markus, Steyrer, Johannes, Schneidhofer, Thomas M.
(2009): Sicherheitskultur - Versuch zur Klärung eines unklaren
Konzeptes. In: Gellner, Winand, Schmöller, Michael (Hg.):
Gesundheitsforschung. Aktuelle Befunde der Gesundheitswissenschaften.
Baden-Baden: 179-193.). Auch Mitschriften aus qualitativen Interviews
und Karriereerfolge von Frauen in technischen Berufen wurden durch das
Verfahren erfolgreich analysiert.
Tools zur MDS-Post-Analyse
Während es inzwischen üblich ist die Lösung einer Faktorenanalyse eine optimierenden Rotation zu unterzeihen lassen viele Softwarepakete diese Möglichkeit für eine MDS vermissen. Die Software GChaos verfügt jedoch über einen Algorithmus zur Varimaxrotation der MDS Ergebnisse.
Die
Software GChaos ist durch eine Skriptsprache programmierbar und kann
alle Schritte der Subjective Grouping Technik bis zur MDS-Analyse
automatisiert durchführen. Mit einer speziellen Methode ist es zudem
Möglich Versuchspersonen zu identifizieren, die bei der Sortierung der
Objekte stark von den anderen Versuchspersonen abweichen
(Ausreißeranalyse).
GChaos
verfügt über Algorithmen zum direkten Vergleich von MDS-Ergebnissen.
Dazu lassen sich die Lösungen zweier MDS-Analysen so drehen, dass sie
maximal zur Deckung gebracht werden. Danach wird die Abweichung
bestimmt und auf Signifikanz geprüft. Die Transformationsmatrix zur
Rotation kann getrennt gespeichert werden. Dadurch wird es möglich
MDS-Analysen mit verschiedenem Objektmaterial zu verlinken. Wenn beide
MDS-Analysen eine Schnittmenge besitzen kann eine Transformationsmatrix
für die Schnittmenge bestimmt werden und dann auch die gesamte
Datenmenge angewendet werden.